Immobilien und Erbschaftsteuer: Worauf Sie achten sollten und welche Befreiungen möglich sind
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Aufgrund der hohen Immobilienpreise übersteigen im Erbfall oder bei einer Schenkung selbst vermeintlich „normale“ Wohnhäuser und Eigentumswohnungen häufig die steuerlichen Freibeträge. Es gibt jedoch gezielte Steuerbefreiungen, insbesondere bei selbst genutztem Wohneigentum, die erhebliche finanzielle Vorteile bringen können. Wenn Sie eine Immobilie vererben oder verschenken, sollten Sie sich daher frühzeitig mit den Regelungen zur Erbschaft- und Schenkungsteuer auseinandersetzen.
Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer bei Immobilien
In Deutschland unterliegt jeder unentgeltliche Erwerb, sei es durch Erbschaft oder durch Schenkung, grundsätzlich der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer. Ob eine Steuer anfällt und wie hoch diese ist, hängt von mehreren Faktoren ab, insbesondere von der Höhe des Erwerbs und dem Verwandtschaftsgrad. Ehegatten und/oder Kinder haben dabei höhere Freibeträge und grundsätzlich niedrigere Steuersätze als entferntere Verwandte oder Bekannte.
Steuerklassen
Für die Erbschaft- und Schenkungsteuer gibt es drei (von den Einkommensteuerklassen unabhängige) Steuerklassen, die von dem Verwandtschaftsgrad zum Schenker bzw. Erblasser abhängen.
- In Steuerklasse I (Steuersatz zwischen 7% und 30%) fallen nahe Angehörige wie Ehepartner, Kinder, Enkel sowie – unter bestimmten Voraussetzungen – auch Eltern.
- Steuerklasse II (Steuersatz zwischen 15% und 43%) gilt etwa für Geschwister, Nichten, Neffen, Schwiegerkinder oder -eltern.
- Steuerklasse III (Steuersatz zwischen 30% und 50%) betrifft alle Übrigen, darunter Freunde, Lebensgefährten (ohne eingetragene Partnerschaft) oder entfernte Verwandte.
Auf die Steuerklasse kann nur durch Änderung der Verwandtschaftsverhältnisse – beispielsweise durch Adoption oder Eheschließung – Einfluss genommen werden.
Steuerfreibeträge
Die bekannteste Befreiung bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer sind die gesetzlich gewährten Grundfreibeträge.
- Der Ehepartner hat einen Freibetrag in Höhe von 500.000 Euro,
- Kinder in Höhe von jeweils 400.000 Euro (gegenüber jedem Elternteil),
- Enkelkinder in Höhe von jeweils 200.000 Euro (gegenüber jedem Großelternteil) und
- Geschwister und entferntere Verwandte nur in Höhe von 20.000 Euro.
Wenn der Wert des Erbes bzw. der Schenkung über den jeweiligen Freibetrag hinausgeht, wird der den Freibetrag übersteigende Wert gemäß der individuellen Steuerklasse besteuert.
Wichtig zu wissen: Die Steuerfreibeträge im konkreten Personenverhältnis stehen alle zehn Jahre erneut zur Verfügung. Wenn zwischen Schenkung und Tod mehr als zehn Jahre liegen, kann ein Kind den Freibetrag in Höhe von 400.000 Euro also beispielsweise sowohl bei der Schenkung als auch bei der Erbschaft in Anspruch nehmen.
Zusätzliche Versorgungsfreibeträge
Dem Ehegatten steht neben dem regulären Freibetrag im Todesfall (aber nicht bei lebzeitigen Schenkungen) ein zusätzlicher „Versorgungsfreibetrag“ von bis zu 256.000 Euro zur Verfügung. Sofern mit dem Tod auch Versorgungsleistungen (insbesondere eine Witwenrente) auf den Ehegatten übergehen, wird deren Wert auf die statistische Restlebensdauer hochgerechnet und verringert den Versorgungsfreibetrag. Kindern unter 27 Jahren kann ebenfalls ein (allerdings deutlich geringerer) Versorgungsfreibetrag zustehen.
Steuerbefreiung für das „Familienheim“
Für die lebzeitige Übergabe oder die Vererbung der selbst bewohnten Immobilie ist die sogenannte Familienheimbefreiung von zentraler Bedeutung. Diese Befreiung kann dazu führen, dass die Immobilie – ohne Beeinträchtigung der allgemeinen Steuerfreibeträge – ganz oder teilweise von der Erbschaft-/Schenkungsteuer ausgenommen ist.
Achtung: Entscheidend ist, dass alle für die Familienheimbefreiungen erforderlichen Voraussetzungen im Zeitpunkt der konkreten Schenkung bzw. des Erbfalls vorliegen.
Begünstigter Personenkreis der „Familienheimbefreiung“
- Die Begünstigung kann nur von Ehegatten und – jedoch in deutlich eingeschränktem Maße – von Kindern in Anspruch genommen werden.
- Enkelkinder können die Befreiung nicht in Anspruch nehmen, es sei denn, Vater bzw. Mutter (das jeweilige Kind der Großeltern) ist vorverstorben.
- Bei lebzeitigen Schenkungen kann die Befreiung nur von dem Ehegatten des Schenkers in Anspruch genommen werden.
- Kindern steht die Familienheimbefreiung bei lebzeitigen Schenkungen nicht zu.
„Familienheim“ als allgemeine Voraussetzung
Damit eine Familienheimbefreiung in Betracht kommt, muss es sich bei dem Objekt um das Familienheim des Erblassers bzw. Schenkers handeln. Bei dem Familienheim handelt es sich um die Immobilie, die von dem Erblasser (bei seinem Tod) bzw. von dem Schenker (im Zeitpunkt der Schenkung) zu eigenen Wohnzwecken selbst bewohnt wird und in der er seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt hat.
Eine Person kann somit im gleichen Zeitpunkt immer nur ein Familienheim haben. Wenn mehrere Wohnungen zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden, ist zu klären, wo der tatsächliche Lebensmittelpunkt liegt.
Das Selbstbewohnen des Objekts durch den Erblasser/Schenker kann entfallen, wenn er/sie aus zwingenden Gründen (z.B. Umzug in ein Pflegeheim) an der Selbstnutzung gehindert ist.
Lebzeitige Schenkung des „Familienheims“ an den Ehegatten
Wenn das Objekt im Zeitpunkt der Schenkung von dem Schenker und dem Ehegatten gemeinsam zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird und den Lebensmittelpunkt für beide Ehegatten darstellt, kann der beschenkte Ehegatte die Familienheimbefreiung in Anspruch nehmen. Der beschenkte Ehegatte muss – zumindest teilweise – Eigentümer des Objekts werden.
Ein anschließendes Weiterbewohnen durch den Ehegatten für einen bestimmten Zeitraum ist für die Familienheimbefreiung bei einer lebzeitigen Schenkung – anders im Todesfall – nicht erforderlich. Dies ist ein großer Vorteil gegenüber der Vererbung der Immobilie an den Ehegatten.
Erwerb des „Familienheims“ von Todes wegen durch den Ehegatten
Wenn der Ehegatte das Objekt nicht zu Lebzeiten, sondern von Todes wegen (im Erbfall) erhält, müssen zusätzliche Voraussetzungen erfüllt werden:
- Der Ehegatte muss in diesem Fall entweder bereits im Zeitpunkt des Erbfalls in dem Objekt seinen Lebensmittelpunkt gehabt haben
- oder innerhalb von maximal sechs Monaten seinen Lebensmittelpunkt dorthin verlegen.
- Der Ehegatte muss seinen Lebensmittelpunkt anschließend für zehn Jahre in dem Objekt behalten und darf das Objekt weder veräußern noch verschenken.
Der Ehegatte kann die Befreiung nur in Anspruch nehmen, soweit er Eigentümer wird. Wird der Ehegatte im Falle der gesetzlichen Erbfolge beispielsweise hälftiger Miterbe und die beiden (nicht mehr in dem Haus lebenden) Kinder Erben zu jeweils einem Viertel, kann der Ehegatte die Befreiung nur für die Hälfte in Anspruch nehmen. Die andere Hälfte steht nach den Erbquoten grundsätzlich den Kindern zu, die die Befreiung aber nicht in Anspruch nehmen können, wenn sie nicht ebenfalls einziehen.
Erwerb des „Familienheims“ von Todes wegen durch Kinder
Für die eigenen Kinder gelten zunächst die gleichen Regeln wie für den Ehegatten im Falle des Erwerbs von Todes wegen:
- Kinder müssen spätestens innerhalb von sechs Monaten nach dem Tod in das zuvor vom Erblasser zu eigenen Wohnzwecken genutzte Familienheim einziehen
- und dort anschließend für zehn Jahre ihren Lebensmittelpunkt behalten.
- Eine Veräußerung/Schenkung innerhalb von zehn Jahren ist schädlich.
Bei Vorhandensein mehrerer Kinder sollte im Rahmen der Erbfolgeplanung überlegt werden, welches Kind (am ehesten) in das Objekt einziehen wird. Das Testament muss entsprechend ausgestaltet werden, um diesem Kind dann auch die vollständige Inanspruchnahme der Befreiung zu ermöglichen.
Es wäre beispielsweise schädlich, wenn die Immobilie zu gleichen Teilen auf die zwei Kinder übergeht, aber nur ein Kind einzieht. Denn dann kann nur dieses Kind und auch allenfalls für „seine“ Hälfte die Befreiung in Anspruch nehmen.
Wichtiger Hinweis: Anders als bei Ehegatten ist die Befreiung für Kinder auf eine Wohnfläche von 200 m² begrenzt. Ist die Wohnfläche des Objekts größer, erfolgt nur eine anteilige Befreiung. Beträgt die Wohnfläche beispielsweise 300 m2, sind nur 2/3 des Objekts begünstigt.
Auszug / Veräußerung des „Familienheims“ innerhalb von 10 Jahren
Verstößt der Ehegatte (bei Erwerb von Todes wegen) oder das Kind gegen die Pflicht, das Objekt nach dem Todesfall/Einzug für zehn Jahre zu bewohnen und nicht zu veräußern oder zu übertragen, entfällt die Steuerbefreiung rückwirkend in voller Höhe. Die Erbschaftsteuer wird nachträglich so festgesetzt, wie sie ohne die Familienheimbefreiung angefallen wäre. Auch wenn man für einen längeren Zeitraum in dem Objekt gewohnt hat, bleibt dies unberücksichtigt.
Etwas anderes kann gelten, wenn man aus zwingenden Gründen (Umzug in Pflegeheim) aus dem Objekt ausziehen muss. Was ein zwingender Grund ist und was nicht, ist eine Frage des Einzelfalls. Ein Umzug aus beruflichen Gründen ist grundsätzlich kein zwingender Grund.
Achtung: Eine Verletzung der Bewohnens-/Behaltensfrist muss dem Finanzamt zwingend mitgeteilt werden, damit das Finanzamt die Steuer berichtigen kann. Bei Unterlassen dieser Mitteilung steht eine mögliche Steuerhinterziehung im Raum.
Steuerbegünstigung für zu Wohnzwecken vermietete Immobilien
Auch für nicht selbst bewohnte Immobilien kann es eine zumindest teilweise Erbschaft- bzw. Schenkungsteuerbefreiung geben. Zu Wohnzecken vermietete Immobilien sind zu 10 % steuerbefreit.
- Die Vermietung muss grundsätzlich im Zeitpunkt des Todes bzw. der Schenkung vorliegen.
- Die Begünstigung gilt nicht nur für Ehegatten oder Kinder, sondern grundsätzlich für jeden. Eine Behaltensfrist existiert nicht.
Allerdings kann die Befreiung nicht in Anspruch genommen werden, wenn die Immobilie im Zuge der Aufteilung des Nachlasses weitergeben wird oder im Zuge der Schenkung eine Weitergabeverpflichtung vereinbart worden ist.
Fazit
Das Steuerrecht sieht verschiedene Möglichkeiten vor, unter denen Immobilien ganz oder teilweise steuerfrei verschenkt oder vererbt werden können. Entscheidend ist, dass sämtliche Voraussetzungen der Steuerbefreiung zu den maßgeblichen Zeitpunkten vorliegen und eingehalten werden.
In der Praxis wird die Pflicht zum Weiterbewohnen und sich hieraus ergebende Konsequenzen von Laien im Rahmen der Erbfolgeplanung häufig unterschätzt bzw. zu positiv bewertet. Wenn die Inanspruchnahme einer Befreiung in Erwägung gezogen wird, sollte das Vorliegen der Voraussetzungen und die für die Inanspruchnahme erforderliche Gestaltung (Testament/Schenkungsvertrag) durch einen versierten Berater geprüft bzw. vorbereitet werden.

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Ihr Nicolai Utz
Nicolai Utz
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht
Telefon + 49 89 547143
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